Mittwoch, 29. November 2006
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Sindelfingen: Die Schaubühne spielt Neil Simons Komödie „Ein seltsames Paar" mit Karsten Spitzer und Rainer Wolf im Theaterkeller
Oskar kriegt gerade noch die Kurve
Von unserem Mitarbeiter Christoph Martin Hauff
zendweise produziert, sind eh schon gut. Aber wenn sie kommen wie aus der Pistole geschossen, erhöht dies das Vergnügen im Publikum noch mal beträchtlich. Und was seine Protagonisten aus so einem alltägli­chen Vorgang wie dem Öffnen einer Spru­delflasche machen, wird zur Comedyshow, die vieles Hochbezahlte auf diversen TV-Ka­nälen weit hinter lässt.
Kurzum: Das Stück dauert zwar beträcht­lich länger als im Programmheft angekün­digt, wird aber keine Minute langweilig. Wenn Felix, mit ungeheurer Fliege ge­schmückt und einer Suppenkelle in der Hand endlos auf seine Gäste wartet, jeder Inch eine beleidigte Hausfrau. Wenn das Taubenpärchen hereinflattert und wieder hinaus, pausenlos kichernd und posierend. Wenn Oscar und Felix kurz vor einer hand­festen Prügelei gerade noch mal die Kurve kriegen, dann setzen alle Beteiligten eine ge­niale Spielvorlage gut einstudiert um.
Jürgen von Bülow weiß auch alle sonsti­gen Tugenden der Schaubühne Sindelfin­gen gut zu nutzen: Dorothea Meert als kon­geniale Kostümbildnerin kennt ihre Pap­penheimerinnen und Pappenheimer aus dem Effeff und kleidet sie dementsprechend ein und um. Das exzellent bespielbare Büh­nenbild der Petra Wächter wird von Helmut Degen und Alexandra Brehm am Regiepult bestens ausgeleuchtet und beschallt. Belin-da Grimm sorgt für ausdrucksvolle Masken, Holger Stampe bestückt das Foyer mit aus­drucksvollen Probenfotos, Astrid Reinhard steuert das charakteristische Gemälde von New York City bei.
Wer niveauvolle Unterhaltung liebt, dem sei „Ein seltsames Paar" bestens empfohlen. Die klimatischen Verhältnisse im atmosphä­risch dichten Theaterkeller Sindelfingen ge­hen, so ist zu vernehmen, einer entschiede­nen Verbesserung entgegen.
■ Die Schaubühne Sindelfingen präsen­tiert „Ein seltsames Paar" noch am 29. November, 1., 2., 3., 4., 6., 8., 9. und
10. Dezember im Theaterkeller im Hotel Knote an der Vaihinger Straße in Sindel­fingen. Danach macht das Ensemble erst einmal Pause, weil der Theaterkeller re­noviert wird. „Wir werden aber weiter für den Erhalt dieser Bühne kämpfen", sagt Jens Reinheimer, der 2007 die Gesamtlei­tung der Schaubühne übernehmen wird.
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Wenn ein Paar, Frau und Mann, die ei­nander lieben, ebenso langsam wie sicher in den Horror des Ehekrieges hi­neinschlittern, so ist das Stoff für Tra­gödie wie Komödie, für den Film, für Musicals, für TV-Serien, sogar für Mundartbühnen. Wenn jedoch zwei Männer, die eigentlich nichts verbin­det als lose Freundschaft, in solche Verhältnisse hinein rutschen, dann stammt das Stück von Neil Simon, heißt „The Odd Couple", also „Ein seltsames Paar", und hat Kultstatus.
Wohl dem, der die diversen Verfilmungen nicht kennt. Der kann sich unbeeinflusst fal­len lassen in die ulkige Männerrunde der Sindelfinger Schaubühne mit Oscar Madi-son, gespielt von Karsten Spitzer, Roy alias Jens Reinheimer, dem Bullen Murray, dar­gestellt von Frithjof Künzel, und dem kno­chentrockenen Dr. Bernd Schmalenbach als Vinnie. Die Bude, in der gemischt und gepo­kert wird, gleicht einer Räuberhöhle. Oscar ist ein miserabler Gastgeber, die Getränke sind lauwarm, die Chips uralt.
Felix Ungar, Urgestein der Pokerrunde, fehlt heute Abend, und so kreisen die Ge­spräche alsbald um ihn. Und wenn Rainer Wolf dann hereinschlurft, mit mauligem Ge­sichtsausdruck, um zu verkünden, dass sei­ne Frau ihm den Laufpass gegeben hat, sind bereits alle Voraussetzungen für eine um­werfende Komödie gegeben.
Denn Oscar, der geniale Überflieger, und Felix, der penetrante Amateurkoch, taugen so gar nicht zusammen. Vollends nicht, als Oscar zwei Frauen aufreißt. Katrin Schwarz als Gwendolyn und Naemi Zoe Keuler als Cecily, als absolut überdrehtes Geschwis­terpaar mit Familienname Taube, bringen die Sache auf den Punkt: Nicht dem Macho Os­car schenken sie ihre Gunst, sondern der schutzbedürftigen Heulsuse Felix.
Irrwitziges Sprechtempo
Jürgen von Bülow holt als Regisseur aus allen das jeweils Beste heraus. Er setzt auf irrwitziges Sprechtempo, und gewinnt da­bei. Die Sprüche, die Neil Simon gleich dut-
Oskar (Karsten Spitzer) hebt ab, Felix (Rainer Wolf) lächelt nur milde: Eine Szene aus dem Stück „Ein seltsames Paar" im Sindelfinger Theaterkeller.                  Bild: Photo 5/z