SZ/BZ vom 22. 01.2004
Sindelfingen: Die Schaubühne mit Arthur Millers "Hexenjagd" in der Regie von Rainer Wolf im Theaterkeller
Mit Tempo in die Massenhysterie
Von unserem Mitarbeiter Ulrich Holthausen
Es dauert bis der Funke springt. Doch dann explodiert das Bühnengeschehen in Rainer Wolfs Inszenierung von Arthur Millers "Hexenjagd". Das Ensemble der Sindelfinger Schaubühne präsentierte sich in der Tiefe des Sindelfinger Theaterkellers temporeich, spielfreudig und ausdrucksstark. Dicht und spannend entzündet sich das Spiel einer Massenpsychose zwischen Haß und kollektiver Hysterie.
Es sollte noch ein schöner und mitreißender Theaterabend werden. Doch zunächsteinmal stand ein ziemlich konfuser Auftakt dem entgegen. Weder Stand oder Status der agierenden Personen, nicht die politische Dimension, noch nicht einmal die Struktur der erzählten Geschichte von Arthur Millers Spiel mit dem historisch bezeugten Stoff aus der amerikanischen Kolonialzeit wird da auf der Bühne greifbar.
Auf dem Nährboden von Aberglaube, Rache und Machtgier wächst eine blutige Massenpsychose, Spaß wird Angst und Haß mündet in blutigem Ernst einer kollektiven Hysterie. Diese Geschichte von dumpfer Angst und stumpfer Borniertheit, engstirniger Bigotterie hat der amerikanische Dramatiker Anfang der fünfziger Jahre geschrieben - als aktuelles Bild der damaligen Kommunismus-Hysterie der McCarthey Ära mit ihren Untersuchungsausschüssen für "unamerikanische Umtriebe", Eine anscheinend beispiellose Künstler- und Wissenschaftlerhatz, die gegenwärtig allerdings als ideologische Hexenverfolgung des Islam wieder aufzuleben scheint. Doch auf eine schlüssige Parallele lässt sich die Inszenierung nicht ein.
Scharf sind in Arthur Millers Text zwar die Charaktere fast aller Figuren gezeichnet. Akteure wie Maren Schlenker als Abigail Williams oder Elenore Schanz als Betty Parris wirken als unerfahrene Spieler jedoch zunächst fast verloren. Mehr gesichtlose Jungschar denn aufgepeitschter Mob. Da schweigt ein Karl Heinz Gorenko noch ausdrucksvoller. Und Gisela Samesch in der schönen Rolle der Tituba Zwar gut, auch wenn sie eher einem Zigeunerinnenverschnitt denn der Schwarzen Mamba ähnelt: "der Teufel geht um".
Mit einer enormen Steigerung präsentiert sich das Ensemble der Schaubühne dann im dritten und vierten Akt. Nach der Pause spielen sie nicht nur mehr nur voll in der ganzen Tiefe des Theaterkellers, sondern auch in der ganzen Tiefe des Stücks zwischen Hexenpower, Panik und Hysterie. Sicher liegt es auch an der Bühnenpräsenz der versierten Darsteller, wie dem herausragenden Frithjof Künzel als oberster Provinzrichter Danforth. Steigerndes Spiel und ein stimmiger Spannungsbogen bestimmen jetzt das Bühnengeschehen.
Rainer Wo1fs Inszenierung findet ins Spiel. Mit berauschendem Tempo und mitziehendem Rhythmus. Ausdrucksstark jetzt die doppeldeutige Figur des Pastor Hale (Andrew Golledge) oder Katrin Mangold als Ann Putnam. Ein dichtes Spiel, nicht nur wegen der achtzehn Darsteller auf der kleinen Bühne des Theaterkellers. Im steigernden Wahn gibt es für den Zuschauer kein Verschnaufen mehr.
Weitere Vorstellungen: 21., 23. bis 26., 28.,30.,31. Januar und 1. Februar, jeweils um 20 Uhr im Theaterkeller Sindelfingen.