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„Schaubühne Sindelfingen"
führte gestern Abend erstmals Arthur Millers „Hexenjagd"
auf
Im
Strudel von Lügen und Anschuldigungen |
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Sindelfingen - Man muss nichts
über McCarthys Kommunistenhatz der 50er Jahre wissen oder über die
Hexengläubigkeit im Massachusetts des 17. Jahrhunderts, um einen
Bezug zu Arthur Millers „Hexenjagd" zu bekommen. Neue
Feindbilder finden sich leicht und Hysterie ist einfach zu schüren. Die
„Schaubühne Sindelfingen" hat das Stück jetzt im Theaterkeller auf die
Bühne gebracht. Gestern Abend war Premiere. |
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VON ANNA J. DEYLITZ
Millers Stück ist im puritanischen
Neuengland des 17. Jahrhunderts angesiedelt und basiert auf wahren
Gegebenheiten in Salem im US-Staat Massachusetts. Geschickt hat Miller
damit die Kommunisten-Hysterie der 50er Jahre in eine andere Zeit verlegt.
Sie wurde entfacht von Senator McCarthy und seinen Anhängern, die später
auch Miller beschuldigt haben. Die Basis solcher Hysterien ist fast
immer gleich: Verklemmtheit, Unwissenheit, Borniertheit,
Geltungssucht und ein gehöriges Maß an Opportunismus der
Unbeteiligten. So kann es dazu kommen, dass die beim verbotenen
nächtlichen Tanzen ertappte Abigail nun ihrerseits mit dem Lügen
beginnt und die anderen beteiligten Mädchen in einen Strudel von
Lügen und Anschuldigungen führt.
Unterstützung finden sie beim bis
zur Bigotterie gottes- oder besser teufelsfürchtigen Pfarrer der Gemeinde
und bei der Richterschaft, die stolz auf ihre Verurteilungen und
Todesurteile verweist. Die Gemeindemitglieder sind den
Anschuldigungen der Mädchen schutzlos ausgeliefert, selbst der kirchliche
Hexenexperte Hale, der versucht zu moderieren, kann nichts ausrichten in
dieser hysteriegeschwängerten Atmosphäre. John Proctor, der sich
einst mit Abigail vergaß, verzichtet auf die Möglichkeit, etwas zu
gestehen, dessen er nicht schuldig ist, um sein Gesicht, seinen Namen
nicht zu verlieren. Er geht in den Tod. Rebecca Nurse, die
gottesfürchtige ältere Frau, geht in den Tod, weil sie angeblich die
Schuld trägt am frühen Tod der sieben Säuglinge der reichen Frau Putnam.
Triumphierend steht am Schluss das |
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Ein Strudel aus Lügen und Anschuldigungen: Arthur Millers
„Hexenjagd" |
Foto: Anna J. Deylitz |
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Gericht da: bestehend aus Pfarrer,
Richter und stellvertrendem Governor.
Das Stück, nicht immer ganz konsistent im Aufbau (die Fremde, Tituba, geht irgendwie auf halber Höhe dramatisch verloren), steht und fällt mit der Besetzung der Protagonisten und der Gesamtleistung des Ensembles, und die ist in diesem Fall hervorragend. Es wird mit der gebotenen Geschwindigkeit gespielt, die Dichte der Situation wird durch gutes Licht auf schwarzer Bühne und die moderat zeitgemäßen Kostüme unterstützt. Gelegentliche Musikfetzen tragen zur Atmosphäre bei. Bei der Vielzahl der agierenden Personen kann nicht jeder gesondert hervorgehoben werden. Die Mädchen unter der Führung von Abigail (Maren Schlenker) können die Mischung von Schuldgefühl und Ver- |
führung, gepaart mit Hysterie,
überzeugend herüberbringen. Pfarrer Parris (Gerald Speckner) ist auch auf
der Bühne einer von den selbstgerechten Pfarrern, denen man nicht gern
begegnen möchte. Pastor Hale, der Hexenexperte, wird von dem Amerikaner
Andrew Colledge in seiner Zerrissenheit sehr authentisch
dargestellt.
Den John Proctor spielt Bernd
Steinhart mit sich ständig steigernder Glaubwürdigkeit und Dichte.
Seiner Ehefrau Elizabeth gibt Gisela Samesch leiser, aber ebenbürtig
Menschlichkeit und Größe. In der Schlussszene ist sie hervorragend.
Dorothea Meert, kurzfristig als Rebecca Nurse eingesprungen, lässt
wünschen, dass man sie häufiger agierend sieht. Ihre wunderbaren
Kostüme sollte sie aber trotzdem weiter machen.
Unbeirrt, |
selbstgerecht und völlig ohne
Zweifel steht Frithjof Künzel für die irdische Gewalt des Governor
Danforth. Er verkörpert glaubwürdig den Richter, der keine Beweise
braucht, auf keine Bitten oder Einwände hört, weil er einerseits alles zu
durchschauen meint und andererseits seine Lebensleistung (bestehend aus
der Zahl der Verurteilungen und Todesurteile) ständig verbessern
will.
Eine beeindruckende, äußerst
sehenswerte Aufführung, mit einer präzisen und sauberen Regie (Rainer
Wolf), die man sich noch heute, am 17., 20., 21. ,23., 24., 25., 26., 28.,
30., 31. Januar und 1. Februar, jeweils 20 Uhr im Theaterkeller ansehen
kann. Vorverkauf im i-Punkt am Marktplatz, Telefon (0 70 31) 94-3 25. |
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