SZ/BZ vom 26. Juli 2003


Sindelfingen: Ab 1. August geht hinter dem Alten Rathaus Shakespeares "Der Sturm" über die Bühne / Seit gestern auf Burg Zavelstein

Sturm-Warnung im Serenadenhof

Von unserem Mitarbeiter Ulrich Holthausen

Sturm über dem Sindelfinger Serenadenhof. Nicht zum ersten Mal haben sich die Willy-Reichert-Bühne, das Theaterensemble und die Schaubühne zu einer großen Produktion zusammengetan. Ab dem Wochenende präsentieren sie Shakespeares letztes, großes Zauberspiel "Der Sturm oder die bezauberte Insel". Doch das traditionelle Sindelfinger Sommertheater startet zunächst einmal auf Burg Zavelstein in Bad Teinach.

Stürmisch zugehen wird es dann ab dem 1. August aber auch im Sindelfinger Serenadenhof am Alten Rathaus. Dort wurde auch gerade noch hart geprobt. Regisseur Dieter E. Hülle stemmt einen Felsbrocken nach dem anderen auf den Platz. Wo sie dann doch falsch liegen werden. Der ehrliche alte Rat "Ganzalo" Rolf Welz bekrittelt das ständige Fehlen der für den Schiffbruch so wichtigen Taue. "Sebastian" Karl-Heinz Gorenko probt den Regenschirm gezückt seine Gänge, macht letzte Mundlockerungen.

Das durchaus echte Liebespaar ist noch in der Garderobe. Und noch ein Felsbrocken, mehr nach links. Luftgeist Ariel (Sabine Duffner) schwebt heran aber sind es nicht zwei. Schon richtig routiniert geht Doppelwesen "Caliban" ("Die Ohren sind noch zu menschlich") Bernd Steinhart mit seinem Schwanz beim Niedersetzen um. Maskenbildnerin Dorothea Meert ist beruhigt. Nein, auch privat kann der Spielleiter nicht mit Hosenträgern dienen. Nein, so etwas besitze er nicht, versichert Sindelfingens ehemaliger Kulturamtsleiter.

Noch leise nur fegt der Sturm der Anfangsszene über den Serenadenhof. Dennoch räumen einige Anwohner die Wäsche aus der schwülen Gluthitze dieses Sonntagnachmittages in Sicherheit. Die erste Szene muss noch aufgepeppt werden. Der Sturm wird heftiger: "bei schnellerem Reden langsamer schaukeln!"

Nur selten wird Shakespeares tiefsinniges Märchendrama "Der Sturm" gespielt. Dabei präsentiert das "dichterische Testament" nochmals Shakespeares komplettes Szenario: Hofatmosphäre samt Intrigen, Raub der Krone, Verrat und Liebe, eine randalierende Unterwelt und edles Menschentum. "Und jede Menge toller, dankbarer Rollen auf den verschiedensten Ebenen," schwärmt Regisseur Dieter E. Hülle, "zwischen der Hofatmosphäre der Königsdramen und dieser seltsam verzauberten Insel mit ihren Geisterelementen".

Für Norbert Laubacher ist sein Prospero "zwar ein Mordsbrocken aber es könnte die Rolle meines Lebens sein". Unglaublich unschuldig auch die Rolle der Miranda (Katrin Mangold) und ihrer ausgesprochen ersten Liebe "wie im Illustriertenroman. Diese Liebesszene (mit Axel Finkelnburg) ist für mich schöner als bei Romeo und Julietta." Paraderollen auch der Trinculo und der Stephano (Mathias Baier und Achim Fuchs) "nach denen jeder Schauspieler lechzt, diese beiden versoffenen Subjekte, die beim Schiffbruch mehr zufällig ins Geschehen hineingeraten".

So mag der Regisseur gar nicht so recht verstehen, warum ausgerechnet dieser Shakespeare so wenig gespielt wird. Auch seit Ulrich von Mülbes Goldberg-Theater im März 1995 in einem offenen Schluss den glückseligen Ausgang des Stück als in der Gegenwart nicht mehr spielbar deklarierte. "Natürlich ist der Schluss des Spiels überraschend. Prospero vergibt aus heiterem Himmel allen. Und man weiß gar nicht so recht warum."

Der Schluss gibt Rätsel auf

Seine Inszenierung will nun "ausbreiten, was da passiert und es dem Zuschauer überlassen, sich ein Urteil darüber zu bilden, warum auch dieser Shakespeare heute noch spielbar sein könnte." Doch auch Dieter E. Hülles Inszenierung hat mit dem Schluss des Zauberspiels gearbeitet: Wie geht es nach der allgemeinen Rückkehr nach Mailand eigentlich auf der Insel weiter? Bleibt dieses Wesen Caliban allein zurück? Nachdem Ariel endlich freigelassen wurde.

Dieter E. Hülle hat die Figur Ariels aufgespalten, einen Ariel 2 (Kera Rachel Cook) als eine Art Zauberlehrling eingeführt. Eine Idee, auf den das Györer Ballett mit einem zweiten Prospero in einer "Sturm"-Aufführung in der Sindelfinger Stadthalle ihn gebracht hat. Er hat zudem dem Prospero Zauberstab und Zauberbücher schenkt. Er könnte die Utopie Prosperos weiterführen eher als sich die Verhältnisse in Mailand und Neapel ändern werden.

Shakespeares "Sturm" ist eines der wenigen kompletten Freiluftstücke. "So ganz ohne Vorhang und bühnentechnische Hilfsmittel ist vor allem schwierig die Leute beim Schiffbruch ins Wasser zu bringen." Ironie und eine zweite Ebene helfen durch diese Szene. "Humor und Ironie, die das ganze Stück durchziehen. Und es ist legitim, weil es ja kein schicksalshafter, echter Schiffbruch ist, sondern von Prospero inszeniert. Und der Zuschauer von Anfang an weiß, dass sie ja gerettet werden sollen."

Vorfreude auf Sindelfingen

Das ist die Theorie, doch die Probenarbeiten waren ein harter Weg dorthin. Schwierig auch, weil es gilt, das Spiel für zwei Spielorte vorzubereiten.

Gestern war schon Premiere auf der bei vielen Sindelfingern sehr beliebten Spielstätte der Burgruine Zavelstein in Bad Teinach. Doch Dieter E. Hülle freut sich auch schon auf den Serenadenhof ab 1. August: "Der Spielort hat einfach nach wie vor seine ästhetischen und ethischen Qualitäten. Der Start in Zavelstein hatte rein terminliche Gründe. Und wetterprognostische Gefühle des Kurdirektors dort." Dabei wird "der Sturm", ganz titelgerecht wohl bei jedem Wetter gespielt. Den Verdacht nähren zumindest Schwerter und Zauberstab, die sich bei genauerem Hinsehen, als Regenschirme entpuppen. Und das Programmheft: Decke und Regenschirm machen den "Sturm" dann wohl zum einmaligen Erlebnis.

Noch heute und am Sonntag, 27 Juli, jeweils 20.30 Uhr auf Burg Zavelstein in Bad Teinach. Ab 1. August im Serenadenhof Sindelfingen. Termine: 1., 2., 3., 6., 8., 9. und 10. August, jeweils 20 Uhr