THEATER / Premiere bei der Sindelfinger Schaubühne
Die Bösen sind die rational Denkenden
SINDELFINGEN ■ Mit „Geld anderer Leute" von Jerry Ster­ner hat die Schaubühne Sin­delfingen ein Stück auf die Bühne gebracht, das in Deutschland seit zehn Jahren unbeachtet blieb.
ANNA J, DEYUTZ
Jerry Sterner bekam für sein Stück bei der Uraufführung vor zehn Jah­ren einen Preis der Off-Theater, man kann ihm bestätigen, dass er weiß, worüber er schreibt (er war vorher in der Wirtschaft tätig), auch über seine Beherrschung des Handwerks­zeugs kann man sich nicht beschwe­ren, er nimmt beispielsweise das dramaturgische Mittel des Erzählers auf, das man in den frühen 50ern gern verwendet hat. Dennoch bleibt dieses Stück irgendwie sperrig, man sieht den Personen zu, die handeln, wie sie handeln müssen und fragt sich, warum sie den Zuschauer so
merkwürdig kalt lassen. Die Erklä­rung ist einfach: die Personen sind nicht wirklich lebendig, machen auch kaum eine Entwicklung durch, sie dienen eher dazu, figurinen­gleich ein Problem darzustellen. Man kennt die Fragestellung des Stückes und die Menschen, die sie in Szene setzen, kann sich aber nur rational und nicht emotional auf die eine oder andere Seite schlagen, die Figuren im Stück bleiben irgendwie Papiertiger, und das hat nichts mit der Darstellung zu tun.
Die Bösen sind hier die rational Denkenden, die wissen, wo es lang­gehen muss. Gefühle und soziale Verantwortung sind im wirtschaft­lichen Denken des Kapitalismus nicht gefragt, in dem der Shareholder-Value, sprich die Interessen des Aktionärs, mehr zählt als der Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplät­zen. Der Vertreter des neuen" Den­kens ist Larry Garfinkle, der Liquida­tor, der Firmen aufkauft und sterben
lässt, um so die größten Gewinne einzustreichen. Karsten Spitzer ge­lingt es, diese Rolle so glaubwürdig darzustellen, dass man schon früh beginnt, Mitleid mit den Vertretern der alten Denkweise zu bekommen und Garfinkle als Zeichen der Zeit zu akzeptieren.
Alte Garde
Die alte Garde, das sind der alte Aufsichtsratsvorsitzende Jorgensen, der immer noch auf Werte wie Ver­antwortung, Freundschaft, Loyalität vertraut, der die neue Zeit einfach nicht akzeptieren will (Rolf Welz, ge­radezu anrührend in seiner Hilf­losigkeit und seinem aus­sichts­losen Kampf), die langjährige Vertraute Bea (rührend besorgt: Astrid Rein­hardt) und der Präsident, der seine Schäfchen ins Trockene zu bringen versucht (glaubwürdig: Ted Steffen Vogt). Beas Tochter, die smarte jun­ge Anwältin Kate, versucht, der alten Garde zu helfen. Sie ist eine - fast -
ebenbürtige Gegenspielerin Garfin-kles, kämpft zwar mit seinen Mit­teln, aber noch - aus Loyalität - für die andere Sein;. Olga Knaus verleiht dieser schwierigen Figur mensch­liche, liebenswerte Züge. Kate und Larry sind Gewinnertypen, und für­einander geschaffen, Schwierig her­auszufinden, was dieses etwas scha­le Gefühl aufkommen lässt, bei der Betrachtung dieses Stücks. Ist es der sperrige Stoff dem die Personen eigentlich nur beigeordnet sind, sind es die Dialoge, die gegen Schluss immer ipapierener werden, immer mehr zeigen, welche Proble­me ein Auto hat, der eine Mission zu haben meint? Den Akteuren kann man dieses merkwürdige Gefühl ebenso wenig anlasten wie der effek-tiven Regie (Rainer Wolf). Einen interessanten Stoff hat man sich ausgewählt, der nachdenklich und auch ein weinig frustiert macht.
Noch zu sehen am 6. und 8. bis 11. Dezember. Karten beim i-Punkt (07031) 94-3 25 bzw. 7 77.
Eine Szene aus der Aufführung der Schaubühne Sindelfingen im Theater­kel­ler.                                                                                                             Foto: ajd