Donnerstag, 8. Juli 1999
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Sindelfingen: Die Schaubühne spielt im Serenadenhof hinter dem Alten Rathaus „Die Irren von Valencia" von Lope de Vega / Premiere ist morgen Abend um 10.30 Uhr
Wahrheiten unter dem Deckmantel der Narretei
Von unserem Mitarbeiter Ulrich Holthausen
dann unter dem Deckmantel der Narretei aus der gesellschaftlichen Ordnung ausbre­chen können. „Hier haben sie die Chance so zu sein, wie sie es frei von gesellschaftlichen Zwängen eigentlich sein wollen, und kön­nen auch ähnlich der Rolle des Narren ge­genüber dem König frei Dinge sagen, die sie schon lange einmal loswerden wollten."
Mit seinen Ansätzen einer modernen Psy­chologie, in der die Kranken nicht einfach nur weggeschlossen wurden, war dieses Hospital in Valencia zu Lope de Vegas Zeit eine recht berühmte Einrichtung. Mit die­sem für das 17. Jahrhundert interessanten Umgang mit der menschlichen Verrücktheit spielt Lope de Vega „erstaunlich detailliert -immerhin hat er etwa 1500 solcher tempera­mentvollen Komödien geschrieben". Zudem ist es eine turbulente Geschichte um die Fa­cetten der Liebe - die bekanntlich ja auch verrückt macht - mit einer komplexen Handlung und recht vielen Darstellern. „Da muß sehr genau choreografiert werden". Doch die für eine Amateurbühne ohnehin recht dicht gedrängten Probenarbeiten hiel­ten noch einige zusätzliche Hindernisse für die „Schaubühne" bereit.
Wegen der rechtlichen Querelen darf zum einen im Serenadenhof selbst ja nur dreimal geprobt werden. Zudem präsentierte sich die Traumkulisse Serenadenhof zunächst in einem recht desolaten Zustand, der das Pro­jekt fast noch zum Kippen gebracht hätte: zu lange lag der Spielort brach und durch die Renovierungsarbeiten an der Fassade des Alten Rathaus entpuppte er sich auch noch als Bauschutthalde. Der Ernstfall wur-
de deshalb auf einem identischen Bühnen­modell im Stiftsgymnasium simuliert.
„Das Umsteigen in den Serenadenhof dürfte kein großes Problem sein", vertraut Ulrich von der Mülbe auf die Qualitäten sei­ner altbewährten Darstellergarde mit Frith-jof Künzel, Stephan Hartig, Rainer Wolf oder Rainer Schmider und das über lange Jahre eingespielte Team mit „Techniker" Helmut Degen und Kostümbildnerin Doro­thea Meert. Bezahlt macht es sich auch, daß die „Schaubühne" in letzter Zeit mit einer Regieassistenz (Bernd Leßmann) arbeitet.
Aber auch diesesmal bietet die „Schau­bühne" jungen Spielern (Manuel Heichlin-ger, Sascha Zipp, der von seinem Ausflug zum „Die da" Ensemble zurückgekehrt ist) ihre Bühne und präsentiert sogar fünf völli­ge Bühnenneulinge. Mit Simone Scheps, Jessica Kordulla und Stephanie Heske freut sich Regisseur Ulrich von der Mülbe, „drei junge Frauen mit guten Stimmen" gefunden zu haben, die bisher eigentlich gefehlt hat­ten, um dieses Stück, das die Gruppe ja schon länger im Blick hatte, zu spielen. „Denn diese zunächst so harmlos bunte Ko­mödie überrascht mit für das 17. Jahrhun­dert ungewöhnlichen Frauenrollen: Ein Stück, in dem starke Frauen, Powerfrauen, im Mittelpunkt stehen."
Premiere der „Irren von Valencia" ist am morgigen Freitag um 20.30 Uhr im Serena­denhof. Weitere Aufführungen bei gutem Wetter wird es dort von Samstag, den 10. bis Montag, den 19. Juli an acht Abenden geben - spielfrei sind Dienstag (13. Juli) und Don­nerstag (15. Juli). Einen Ausweichspielort bei schlechtem Wetter gibt es nicht.
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Die Entscheidung fiel erst recht spät. Doch jetzt erfüllt sich die „Schaubüh­ne" einen kleinen Theatertraum. Mit Lope de Vegas „Die Irren von Valen­cia" präsentiert das VHS-Ensemble nicht nur endlich diese turbulente Ko­mödie, die schon so lange auf ihrer Spielliste ganz weit oben stand. Son­dern das auch noch in der Wunschku­lisse Serenadenhof.
„Zu dem Spielort Serenadenhof hätte es für dieses Stück kaum eine Alternative gege­ben." Doch lange blieb es unklar, ob der in den letzten Jahren juristisch so umstrittene Serenadenhof überhaupt wiedermal be­spielt werden könnte. Die Entscheidung der Schaubühne, für das diesjährige Sommer­theater eng daran gekoppelt, blieb so bis Ende März in der Schwebe. Doch dann schien der Weg frei in diese „wunderschöne Szenerie", die für Regisseur Ulrich von der Mülbe so harmonisch zu dem charmanten Reiz dieser korpulenten, romantischen Ko­mödie der spanischen Renaissance paßt.
„Das Stück spielt ja auch in so einem hel­len Hof vor dieser Irrenanstalt, in dem sich Menschen mehr oder weniger zufällig tref­fen. Dort aber auch von der Normalität ih­rer Alltagswelt in eine Welt der Verrückten eintauchen", und in diesem typisch bunten und amüsanten Verwirrspiel immer wieder zufällig oder auch ganz absichtsvoll die nor­male Sicht auf die Dinge verlieren. Und
Lope de Vegas „Die Irren von Valencia" spielt die Schaubühne unter der Regie von Ulrich von der Mülbe. Premiere ist am Freitag.                                                                   Bild Stampe